Die Wiener Gasometer – eine Zeitreise
Das Areal der Gasometer blickt auf eine abwechslungsreiche Vergangenheit zurück. Vor 200 Jahren dominierten Gemüsegärten, dann wurde ein Schießplatz der Wiener Artilleriedirektion errichtet. Der Schießplatz wich einer Pferderennbahn. Ein Zeppelin- und Ballonstartplatz folgten auf die Rennbahn. Durch die Beleuchtung der Wiener Ringstraße verstärkte sich die Nachfrage nach Gas derart, dass der Bau des damals größten europäischen Gaswerks beschlossen wurde.
Das städtische Gaswerk Simmering wurde von 1896-1898 auf einem riesigen Areal am rechten Donaukanalufer erbaut. Das Gaswerk mit einer Tageskapazität von 432.000 m³ sollte die Gasversorgung Wiens sicherstellen.
Städtisches Gaswerk in Wien
1893 wurde im "Wiener Gemeinderath" der Beschluss gefasst, den 1899 auslaufenden Vertrag mit der britischen Imperial Continental Gas Association (I.C.G.A.) nicht mehr zu erneuern und mit dem Bau eines eigenen städtischen Gaswerkes sowie eines dazugehörigen Rohrnetzes die Gasproduktion und -versorgung zu kommunalisieren. Bereits am 28. Dezember 1896 konnte der erste Spatenstich vorgenommen werden. Mit großem personellen, und aus heutiger Sicht auch erstaunlich hohem technischem Aufwand, wurde der Bau rasch vorangetrieben. So waren zum Beispiel beim Behälterbau in der stärksten Woche 1.630 Arbeiter eingesetzt.
Die Dachkonstruktion wurde sofort nach Vollendung des Bassinmauerwerks aufgesetzt und kontinuierlich mit dem Hochmauern des Behältermauerwerks bis zur endgültigen Gesimshöhe hochgehoben. Für die Montage der Dachkonstruktion, die 143 Tonnen wog, benötigte man pro Behälter 29 Arbeitstage. Hebung und Aufmauerung des Mantels dauerten bei der einen Behältergruppe 84, bei der anderen sogar nur 72 Tage.
Das Gasometer-Dach wurde mit Flaschenzügen gehoben und die Maurer (Bild links) konnten weitere Schichten Ziegel vermauern. Insgesamt wurden 43 Millionen Ziegel und 17.500 m³ Beton verbaut sowie 75.000 m³ Erdaushub geleistet.
Mitte des Jahres 1898 konnten die Bauarbeiten bei allen vier Behältern abgeschlossen werden, am 17. Juli 1899 waren sie betriebsbereit. Auch die Errichtung der anderen Bauwerke und Anlagen verlief programmgemäß.
Am 25. Oktober 1899, noch vor dem gesetzten Termin, konnte die Gesamtanlage des damals größten Gaswerks auf dem europäischen Kontinent in Betrieb genommen werden. Durch die feierliche Einweihung am 31. Oktober 1899 durch Bischof Dr. Johannes Schneider erhielt Wien sein erstes kommunales Gaswerk.
Durch den rasch steigenden Gaskonsum wurde in den folgenden Jahren die Anlage immer weiter ausgebaut. 1908 wurde der Gasometer No. 5 errichtet. Mit 140.000 m³ Fassungsvermögen der größte Behälter auf dem Gelände. Die Bilder zeigen das Gaswerk mit allen 5 Gasometern um das Jahr 1911.
Die Einfahrt auf das Gelände des Gaswerkes Simmering und das Werksgelände um das Jahr 1925.
Das Gaswerk Simmering am 24. Juni 1941 von der Zippererstraße fotografiert. Das Bild zeigt die Arbeiten an einem Luftschutzkeller. Die Gebäude rechts existieren noch, wie ich mich überzeugen konnte. Einfach mit der Maus das Haus berühren. Zu sehen ist auch das Gasthaus Barbanek (im Kreis, damals noch Gasthaus Springer). Das legendäre Gasthaus existiert seit Anfang 2016 nicht mehr – die Besitzer haben wegen der umfangreichen Bauarbeiten rund um die Zipperersiedlung aufgegeben.
Der Gaswerksteg
Zwischen dem 25. Juli 1898 und dem 16. Juli 1899 wurde der Gaswerksteg mit 64 Meter Spannweite für drei Gasrohre mit je 120 Zentimeter Durchmesser errichtet, um eine Gasleitung vom städtischen Gaswerk in Simmering in den 2. Wiener Gemeindebezirk zu ermöglichen. Daher wurde er als «Rohrbrücke» bzw «Gasleitungsbrücke» bezeichnet. Bereits bei seiner Konstruktion wurde die Möglichkeit einer Begehbarmachung für Fußgänger vorgesehen. Die Tragfähigkeit des Gaswerkstegs wurde bereits dementsprechend berechnet. Aber erst 1910 wurden in die Konstruktion Platten eingehängt, um den Steg für Fußgänger benützbar zu machen.
Projektiert wurde das Bauwerk durch Luger und Scheiringer, die Arbeiten an der Stahlkonstruktion wurden von der Firma Gridl aus Wien ausgeführt.
1944, mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde die Brücke durch einen Bombentreffer zerstört. Da dieser Steg von der Bevölkerung schon immer «Gaswerksteg» genannt wurde, beschloss der Wiener Gemeinderat in der Sitzung vom 10. Juli 1963 diesen Steg auch amtlich diesen Namen zu geben.
Der Zweite Weltkrieg
Die städtischen Gaswerke sind zwischen Juni 1944 und April 1945 immer wieder Luftangriffen ausgesetzt. In das Werk Simmering fallen in fünf Angriffen rund 1.200 Brandbomben und 18 Sprengbomben, während der Kampfhandlungen im April 1945 werden 313 Artillerieeinschläge verzeichnet.
Nicht weniger katastrophal sind die Schäden an den Gasverteilungsanlagen. Durch die Brückensprengungen wird nicht nur jede Verbindung der Werke untereinander abgeschnitten, sondern auch die Zuleitung des Gases in das ebenfalls stark zerstörte Rohrnetz oft unmöglich gemacht. Trotz widrigster Umstände kann dank der aufopfernden Bemühungen der Betriebsangehörigen fast ununterbrochen Gas abgegeben werden. Im Werk Simmering harren 243 Gasarbeiter und fünf Ingenieure von 6. bis 10. April 1945 ohne Unterbrechung aus, um es vor der Vernichtung durch die zurückweichende deutsche Wehrmacht zu bewahren. Erst wenige Tage vor Kriegsende kommt die gesamte Erzeugung zum Erliegen.
(Bild) Gedenkaufschrift in der U-Bahn-Station Gasometer: «Wir gedenken den Bediensteten des Gaswerkes Simmering, die Opfer der faschistischen Barbarei wurden. Ihnen ist am Areal des Gaswerkes auch ein Denkmal gewidmet. Bezirksvorstehung Simmering» Das Denkmal sehen Sie, wenn Sie die Maus über das obige Bild bewegen.
Obwohl nach dem Krieg über 2.000 Schäden behoben und über 20 km Rohrleitung erneuert werden müssen, ist nach nur einem Jahr, am 17. April 1946, die Instandsetzung des Rohrnetzes beendet. Am 31. Oktober 1945 werden erstmals wieder acht Kammern der Ofenanlage mit Kohle beschickt. Trotzdem war der Gaserzeugung durch die Kohleknappheit lange Zeit Grenzen gesetzt. Gas stand nicht zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit, sondern bis 1948 nur zu ganz bestimmten Stunden zur Verfügung.
Bild links zeigt den Kohlelagerplatz im Gaswerk Simmering und rechts den Rohrlagerplatz.
Die 1960er bis -80er Jahre
Die Simmeringer Haide / Erdberger Mais um das Jahr 1967
Die Gasometer in den späten 1970er Jahren als idylisches Postkartenmotiv (Verlag Wolfrum/Falter Verlag). Das Foto ist von der heutigen Döblerhofstraße, Ecke Modecenterstraße aufgenommen, am Bild ist noch der «Stelzenwirt» (rechts) zu erkennen, das Gasthaus mit Gastgarten (Bild rechts) wurde im Jahr 2000 abgerissen. Heute ziert ein schöner Parkplatz das Gelände.
Die Gasometer im Jahr 1984. Am Bild links unten ist das kleine graue Häuschen, die Brückenwaage, zu erkennen. Hier wurden die Kohlewaggons mit der angelieferten Steinkohle abgewogen und peniebel in Bücher handschriftlich eingetragen. Ich war einmal in dem Gebäude, das noch mit den Berichtsbüchern vollgeräumt war. Das Häuschen samt den Gleisen wurde 2002 abgerissen. Am rechten Bild sind die Türme C und D zu erkennen. Davor befindet sich noch die Chemische Versuchsanstalt der Wien Energie (heute Wiener Netze). Die Gebäude mußten dann dem Wohnbauprojekt Ville Verdi weichen.
Foto Marburg, Foto: Rödel, Volker
Das letzte Kapitel
Die Zufahrt zum Gasometer von der Wiener Südosttangente über die Döberhofstraße kurz vor den
Umbauarbeiten im Frühjahr 1999.
Das Betriebsende der vier Gasometer war durch die Umstellung von Stadtgas auf das weitaus billigere Erdgas Mitte der 1970er Jahre bedingt. Nach diesem Zeitpunkt wurden die riesigen Gasbehälter noch als Lagerstätten für das größtenteils russische Erdgas genützt. Am 14. Juni 1985 wurde der Behälter B (Bild mitte) endgültig außer Betrieb gestellt, am 20. Mai 1986 die anderen drei Bauten.
Nach der Stillegung 1986 wurden die Behälterglocken ab- und ausgebaut, zurück blieben gewaltige Dome, jeder so groß, das das Wiener Riesenrad bequem Platz hätte. 1988 erwachte einer der Gasometer kurz zu neuem Leben. Die SPÖ feierte im Gasometer D ihr 100 jähriges Bestehen mit einer großen Ausstellung.
Anfang der 90er Jahre kam die Rave-Bewegung nach Österreich und die Location im Gasometer D wurde für die legendären XXX-Clubbings genutzt (Bild links). Bewegte Bilder vom letzten Rave am 17. Oktober 1998 sehen sie HIER.
Die Gasometer als Filmkulisse
Die schlafenden Riesen von Simmering wurden nach der Stilllegung mehrfach als Filmkulisse genutzt. Auch Agent Bond, James Bond, hat den (unterirdischen) Weg in den Gasometer gefunden. 1987 gibt es eine kurze Szene, die im stillgelegten Gasometer spielt. Schon zuvor hat Franz Antel die Gasometer mehrfach als Filmkulisse genutzt. Legendär sind natürlich die Szenen als Major Adolf Kottan (Inspektor gibts kan) gleich mehrfach in der Gegend ermittelte. Unvergesslich die Szene beim Brückenwirt (hier ansehen), ein Gasthaus das im Zuge des Umbaues weichen mußte. 1985 hat Niki List die Handlung von «Müllers Büro» um die Gasometer angesiedelt.
Nach dem Umbau 2001 ist auch der Medicopter 117 im Mai 2003 hier gelandet und «Tatort» Kommissar Moritz Eisner hat im Gasometer seine Dienstmarke gezogen. Natürlich konnte sich auch Kommissar Rex einen Abstecher in den Gasometer nicht verkneifen.
James Bond gelangt in «Der Hauch des Todes» 1987 per Rohrpost durch den Eisernen Vorhang aus Bratislava in das Gasometer-Gebäude.
Kottan (Franz Buchrieser) vor dem Gasometer und Jahre später schwebt der Rettungs-Heli 117 ein. Das Filmteam hatte die Gasometer kurzerhand in das deutsche Rosenheim verlegt.
(Fotos: IMAGNO, Wiener Netze,
W. Steidl, Photo Luftbild Gesellschaft, Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kurt Mayer, Elfriede Mejchar,
Foto Marburg, Foto: Rödel, Volker, Ing. Klaus Enser, Ewald Frühwirth)